Vom Sicherheitsbeamten zum Spion – aus Frust über Trump?
Nathan L., 28 Jahre alt, hochsicherheits-zertifizierter Cybersicherheitsexperte der US-Verteidigungsnachrichtendienste (DIA), wollte die Seiten wechseln. Und zwar nicht zu Russland, China oder Nordkorea – sondern nach Deutschland. In einer E-Mail bot er „höchst vertrauliche Informationen“ an und schrieb, dass ihn die Trump-Regierung „zutiefst beunruhige“. Er glaube nicht mehr an die Werte, für die die USA angeblich stünden. Sein Vorschlag: Verrat gegen Staatsbürgerschaft.
Das Ziel seiner E-Mail: Laut Informationen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung – der Bundesnachrichtendienst (BND). Doch der deutsche Auslandsgeheimdienst winkte ab – und gab die Info offenbar an die US-Behörden weiter. Für L. bedeutete das: Statt Deutschland – Handschellen.
Wie der Maulwurf in die Falle tappte
Was nach einem Spionage-Thriller klingt, war in Wirklichkeit ein Lehrstück über digitale Dummheit im Zeitalter totaler Überwachung. L. schickte seine Mail zwar von einem anonymen Konto, nutzte aber dieselbe IP-Adresse wie sein Heimrechner. Obendrein lud er ein Foto seines Mitarbeiterausweises hoch – zwar ohne Namen und Gesicht, aber offenbar trotzdem identifizierbar.
Die US-Ermittler ließen sich nicht lange bitten. Das FBI trat als angeblicher BND-Mitarbeiter auf und führte den enttäuschten Agenten an der Leine durchs digitale Dickicht: verschlüsselte Chats, getarnte Treffen, ein „Toter Briefkasten“ in einem Park. Dort deponierte L. schließlich ein Laufwerk mit neun als „streng geheim“ eingestuften Dokumenten. Im Gegenzug bat er um die deutsche Staatsbürgerschaft.
Der Versuch, in Socken und Brotdosen Geheimdokumente zu schmuggeln, mutet fast schon komisch an – wäre der Hintergrund nicht so ernst.
Und Deutschland? Sagt wenig – aber handelt
Offiziell schweigt der BND, wie immer. „Keine Stellungnahme zu geheimdienstlichen Vorgängen“, heißt es aus Pullach. Ob L. wirklich beim BND angeklopft hat? Kein Kommentar. Dass aber wenige Tage nach seiner E-Mail die US-Ermittler aktiv wurden, spricht Bände.
Klar ist: Der Fall ist nicht nur brisant, weil ein US-Agent ausgerechnet mit Deutschland sympathisiert. Sondern auch, weil deutsche Behörden offenbar die Gelegenheit nutzten, um Vertrauen bei den Amerikanern zurückzugewinnen – nach einem ohnehin angespannten Verhältnis unter der Trump-Regierung.
Kalter Wind in der Spionagewelt
Der Fall zeigt ein politisches Dilemma: Die USA sind und bleiben Deutschlands wichtigster Partner in der NATO – auch in Sachen Geheimdienstinformationen. 76 Prozent aller Überwachungsdaten in der NATO kamen 2023 aus den USA, Deutschland lieferte gerade mal 1 Prozent. Ohne die Amerikaner geht nichts – schon gar nicht bei der Terrorabwehr.
Doch das Vertrauen ist brüchig. Republikanische Hardliner wie Tom Cotton fordern bereits, Deutschland keine sensiblen Daten mehr zu übermitteln – ausgerechnet wegen der Überwachung der AfD. Der Verdacht: zu links, zu weich, zu kritisch gegenüber den USA. Der Fall L. könnte in diesem Klima das Verhältnis weiter strapazieren – oder als Zeichen deutscher Loyalität verstanden werden.
Politisch klug und rechtlich sauber
Wenn der BND wirklich den Amerikanern reinen Wein eingeschenkt hat, war das richtig. Denn wer hochvertrauliche Infos eines fremden Staates annimmt, macht sich schnell selbst strafbar – selbst wenn’s gut gemeint ist.
Dass jemand ausgerechnet nach Deutschland überlaufen will, weil ihm die eigene Regierung zu extrem erscheint? Das ist ein Zeichen. Und zwar dafür, wie brüchig selbst in den sichersten Apparaten das Vertrauen wird, wenn Politik gegen die eigenen Grundwerte arbeitet.
Verrat bleibt Verrat – aber wer bereit ist, sein Leben zu riskieren, um zu „einem besseren Land“ zu gehören, sollte uns zumindest dazu bringen, nachzudenken, welches Bild wir in der Welt abgeben. Und welche Verantwortung ein Geheimdienst hat, wenn die Welt mal nicht mehr nur Schwarz oder Weiß ist.