Wenn der Wartebereich zur Überwachungszone wird
Diagnosen öffentlich, Patienten heimlich gefilmt – was nach einem schlechten Film klingt, ist in hessischen Arztpraxen Realität geworden. Der hessische Datenschutzbeauftragte Alexander Roßnagel schlägt in seinem aktuellen Jahresbericht Alarm: Noch nie wurden so viele Datenschutzverstöße gemeldet wie im Jahr 2024. Über 2.100 Datenschutzverletzungen, 545.000 Euro Bußgelder – und ganz vorne mit dabei: medizinische Einrichtungen.
Dabei geht es nicht um banale IT-Pannen, sondern um eklatante Eingriffe in die Privatsphäre: Veröffentlichung von Patientennamen und Diagnosen als Reaktion auf schlechte Google-Bewertungen, Videoüberwachung mit versteckter Kamera in einer Wanduhr, oder ein Praxismanager, der Patientenakten auf einer privaten Feier herumzeigt – und sie per WhatsApp-Foto mit seiner Partnerin teilt.
Das ist kein Versehen mehr. Das ist grob fahrlässig – wenn nicht sogar vorsätzlich.
Verletzter Datenschutz – verletztes Vertrauen
Dass ausgerechnet Arztpraxen, Orte höchsten Vertrauens, derart sorglos mit sensiblen Daten umgehen, ist nicht nur ein juristisches, sondern auch ein ethisches Desaster. Patientendaten gehören zu den sensibelsten Informationen überhaupt. Wer hier leichtfertig handelt, riskiert nicht nur hohe Bußgelder, sondern auch das Vertrauen der Menschen in die medizinische Versorgung.
Der Datenschutzbeauftragte macht dabei klar: Viele Verstöße passieren aus Unwissenheit. Aber gerade deshalb sind Verpflichtung zu Schulungen und klare Regeln im Praxisalltag dringend nötig. Wer eine Praxis leitet, sollte wissen, dass WhatsApp kein geeignetes Tool für medizinische Kommunikation ist – und dass eine Wanduhr mit Kamera im Empfangsbereich nichts zu suchen hat.
Was plant die Politik – und wo droht neuer Ärger?
Die Bundesregierung plant derzeit, die Datenschutzaufsicht zentral beim Bund zu bündeln – angeblich zur Vereinfachung. Doch der hessische Datenschutzbeauftragte warnt: Zentralisierung bringt Nachteile. Die Bearbeitung individueller Anliegen sei jetzt schon aufwendig – künftig würden Bürgerinnen und Bürger dann womöglich statt in Wiesbaden nach Köln reisen müssen, um ihre Rechte geltend zu machen.
Hinzu kommt: Die Bundesdatenschutzbeauftragte ist schon jetzt personell unterbesetzt – eine effektive Kontrolle wäre kaum möglich. Statt Zentralisierung schlägt Roßnagel vor: Der Bund soll koordinieren, nicht übernehmen. Denn Datenschutz ist immer auch lokal – und betrifft individuelle Menschen, nicht nur zentrale Datenströme.
Wer Patienten heimlich filmt, hat im Gesundheitswesen nichts verloren
Wir sagen es deutlich: Wer eine versteckte Kamera in den Empfangsbereich installiert, gehört nicht verwarnt, sondern angezeigt. Punkt. Solche Verstöße sind keine Lappalie, sondern ein Vertrauensbruch gegenüber jedem einzelnen Patienten, der sich darauf verlässt, dass seine intimsten Daten geschützt sind.
Dass manche Praxen offenbar denken, Datenschutz gelte nur für andere, ist nicht nur gefährlich – es zeigt, wie dringend verbindliche Aufklärung und konsequente Sanktionen gebraucht werden. Datenschutz ist kein bürokratischer Luxus, sondern ein Grundrecht – gerade im Gesundheitswesen.