Wer sind diese Data Broker – und warum wissen sie mehr über uns als wir selbst?
Sie heißen Adsquare, Zeotap, Equifax oder Liveramp – und sie handeln mit etwas, das man nicht anfassen, aber dennoch verkaufen kann: unseren Daten. Genauer gesagt: mit Milliarden digitaler Spuren, die wir täglich hinterlassen. Diese Firmen schnüren daraus hübsche kleine „Profile“ – z. B. alleinerziehende Mutter, SUV-Fahrer oder Veganer mit Reiseaffinität – und verkaufen sie weiter an Werbetreibende. Die wissen dann genau, wen sie womit ködern müssen.
Was klingt wie ein Hollywood-Thriller, ist in der Realität vollkommen legal – zumindest unter bestimmten Bedingungen, die in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) festgelegt sind. Doch so eindeutig, wie die Regeln auf dem Papier scheinen, ist der Datenhandel in der Praxis nicht.
Schlupfloch mit System: Das „berechtigte Interesse“
Der Trick, den Data Broker nutzen, ist simpel und effektiv: das „berechtigte Interesse“. Laut DSGVO dürfen Unternehmen Daten sammeln, wenn sie dafür einen guten Grund haben – zum Beispiel zur Verbesserung ihrer Dienste oder aus Sicherheitsgründen. Das Problem: Die Unternehmen beurteilen selbst, was ein „guter Grund“ ist – und legen die DSGVO gern zu ihren Gunsten aus.
Was passiert also mit unseren Klicks, Standortdaten oder Kaufinteressen? Die landen oft in Datenpaketen, die auf Marktplätzen wie Datarade gehandelt werden – in einem Fall waren es laut Recherchen des BR und von netzpolitik.org rund vier Milliarden Standortdaten aus Deutschland. Daten, die auch für Bewegungsprofile genutzt werden können – mit potenziell gefährlichen Folgen für die Privatsphäre und sogar die nationale Sicherheit.
Meta, Google & Co.: Ein ganzer Werbemarkt auf Datenfüßen
Große Tech-Konzerne wie Meta und Google arbeiten eng mit Data Brokern zusammen – direkt oder über Umwege. Cookies und Tracking-Pixel saugen Verhaltensdaten auf, auch außerhalb der Plattformen. Wer bei Google „Laufschuhe“ sucht, bekommt am nächsten Tag auf Instagram Werbung für Sportgetränke.
Consent-Banner, wie sie die DSGVO verlangt, sollen eigentlich für Transparenz sorgen. Doch mal ehrlich: Wer klickt nicht meistens auf „Alle akzeptieren“, einfach um schnell auf die gewünschte Seite zu kommen? Genau das nutzen die Datenhändler aus – mit unserer stillschweigenden Zustimmung.
Die Gerichte schlagen zurück – langsam, aber deutlich
Immerhin bewegt sich etwas: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat im Oktober 2024 entschieden, dass Meta nicht mehr einfach alle verfügbaren Daten für Werbung nutzen darf. Das Prinzip der Datenminimierung gilt – also: Nur das Nötigste darf gesammelt werden. Noch ein Dämpfer folgte im Februar 2025 durch das Landgericht Stuttgart, das klarstellte: Auch wenn ein Webseitenbetreiber Daten abgreift, braucht Meta eigene Einwilligungen für deren Nutzung.
Diese Urteile könnten den Datenhandel massiv einschränken – sofern sie konsequent durchgesetzt werden. Denn eines ist klar: Derzeit profitieren fast ausschließlich die Plattformen und Vermittler – nicht die Menschen, deren Daten verarbeitet werden.
Mehr Macht für Nutzer:innen – oder doch Daten gegen Geld?
Wie kann die Schieflage zwischen Nutzer:innen und Datenhändlern korrigiert werden? In Europa soll der EU Data Act ab 2025 sicherstellen, dass wir selbst entscheiden, wer auf Daten von vernetzten Geräten wie Fitnesstrackern zugreifen darf. Noch weiter geht ein Pilotprojekt aus Brasilien: Dort erhalten Nutzer:innen eine digitale Datenbrieftasche – sie entscheiden selbst, wem sie welche Daten verkaufen. Im besten Fall: Transparenz gegen Geld.
Aber: Kritiker warnen vor einer Zweiklassengesellschaft im Datennetz. Wer weiß schon wirklich, was die eigenen Daten wert sind – oder wie viel Kontrolle man wirklich aufgibt?
Unsere Daten sind Milliarden wert – bringen uns selbst aber keinen Cent
Dass Firmen wie Meta, Google oder Data Broker ganze Geschäftsmodelle auf dem Rücken von Nutzer:innen aufbauen, ohne dass wir eine echte Wahl haben, ist aus unserer Sicht schlicht absurd.
Die DSGVO war ein guter Anfang – aber sie wird systematisch unterwandert. Und solange „berechtigtes Interesse“ ein Freifahrtschein bleibt, wird sich wenig ändern. Unsere Forderung: Weniger Banner, mehr echte Kontrolle. Und wenn Daten verkauft werden – dann bitte mit fairer Beteiligung derer, denen sie gehören.