Vertrag verweigert – aber warum?

Stellen Sie sich vor, Sie möchten ein neues Handy oder einen Stromvertrag abschließen – und plötzlich heißt es: Antrag abgelehnt. Kein Zahlungsverzug, keine Schulden. Und trotzdem kein Vertrag. Der Grund? Ihre Bonität – also Ihre angebliche Kreditwürdigkeit. Die wird in Österreich oft von der Auskunftei CRIF errechnet. Doch was nach objektiven Zahlen klingt, entpuppt sich jetzt als Daten-Puzzle mit vielen Fragezeichen.

Die Datenschutzorganisation Noyb, unter der Leitung von Max Schrems, will gegen CRIF nun mit einer Sammelklage vorgehen. Der Verdacht: Millionen Menschen in Österreich wurden möglicherweise auf Grundlage fragwürdiger Daten schlechter bewertet – mit echten Folgen für ihr tägliches Leben.

Voodoo-Score statt Fakten?

Was die Datenschützer aufgedeckt haben, ist brisant: Viele der von CRIF vergebenen Scores beruhen angeblich nicht auf konkreten Zahlungserfahrungen, sondern auf soziodemografischen Daten – etwa Wohnort, Alter oder Geschlecht. In 90 Prozent der Fälle, so Schrems, lägen gar keine Daten zu früherem Zahlungsverhalten vor. Trotzdem wird munter bewertet.

Besonders brisant: Tests von Noyb zeigen, dass schon die Angabe einer anderen Lieferadresse beim Online-Shopping die Bonität plötzlich verbessert – oder verschlechtert. Schrems nennt das „Daten-Voodoo“. Auch Dietrich Mateschitz, der zu Lebzeiten reichste Österreicher, wurde laut CRIF als unterdurchschnittlich kreditwürdig eingestuft. Warum? Wahrscheinlich wegen einer Adressverwirrung. Kein Scherz.

DSGVO? Kennen wir nicht.

Ein weiterer Vorwurf: Viele der Daten dürften ohne explizite Zustimmung verwendet worden sein – gesammelt eigentlich für Marketing, nun aber eingesetzt für Kreditbewertungen. Aus Sicht von Noyb ein klarer Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Zwar behauptet CRIF, solche Daten nicht mehr zur Bewertung zu nutzen – vor Oktober 2023 sei das aber sehr wohl passiert. Und genau da setzt die geplante Klage an.

CRIF bezieht seine Informationen laut eigenen Angaben aus unterschiedlichsten Quellen: Vertragspartner, Melderegister, Insolvenzlisten – und eigenen Tochterfirmen. Wer wirklich weiß, was über ihn gespeichert ist? Kaum jemand. Und wer einmal gelöscht werden will, riskiert laut Schrems sogar, künftig automatisch schlechter bewertet zu werden. Kein Eintrag heißt eben auch: kein Vertrauen.

Die größte Klage der Republik?

Jetzt ruft Noyb zur Datenspende auf. Wer seine eigene Bonitätsbewertung anfordert, kann mithelfen, das System zu entlarven. Gemeinsam mit der Uni Bremen will man die Scores mit echten Einkommensverhältnissen vergleichen. Sollte sich der Verdacht erhärten, will Noyb eine Verbandsklage gegen CRIF einreichen. Bis zu 6 Millionen Menschenkönnten betroffen sein – und bis zu 750 Euro Schadenersatz pro Person möglich.

Wer nichts weiß, soll alles zahlen?

Wenn Millionen Menschen auf Basis von Wohnadresse und Geburtsdatum von Mobilfunkverträgen ausgeschlossen oder beim Online-Shopping diskriminiert werden, dann läuft da etwas ganz gewaltig schief.

Transparenz? Fehlanzeige. Zustimmung? Offenbar nicht vorhanden. Und wenn das System dann auch noch den reichsten Österreicher durchfallen lässt, zeigt das eines: Die Bewertung ist keine Wissenschaft, sondern ein Ratespiel mit ernsten Folgen.

Wenn „Daten-Voodoo“ über Ihre Kreditwürdigkeit entscheidet, ist es höchste Zeit, den Schleier zu lüften – notfalls mit der größten Sammelklage der Republik.

Zum Newsletter anmelden

und immer aktuell im Datenschutz informiert.