Die EU-Kommission plant offenbar, ihre Cloud-Dienste von Microsoft Azure zu einem europäischen Anbieter wie OVHcloud zu verlagern. Laut einem Bericht von Euractiv laufen bereits seit Wochen Gespräche mit OVHcloud, dem größten europäischen Cloud-Dienstleister. Der Grund? Die EU will ihre digitale Souveränität stärken und mehr Kontrolle über ihre Daten und Infrastruktur erlangen.
Dieses Vorhaben ist Teil einer größeren Strategie, die schon seit einigen Monaten durch die EuroStack-Initiative unterstützt wird. Ziel ist es, Milliarden in gemeinsame IT-Plattformen, Datenräume und koordinierte Strategien zu investieren. Ein „Europa zuerst“-Mandat soll etabliert werden, um die Abhängigkeit von nicht-europäischen Anbietern zu reduzieren.
Weckruf durch internationale Sanktionen
Ein aktueller Auslöser für die Überlegungen der EU-Kommission ist der Fall des Chefanklägers des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Karim Khan. Aufgrund von US-Sanktionen wurde er von seinem Microsoft-basierten E-Mail-Konto abgekoppelt. Dieser Vorfall hat die Dringlichkeit unterstrichen, die Kontrolle über die digitale Infrastruktur in europäische Hände zu legen.
OVHcloud bestätigt Verhandlungen
OVHcloud hat die Gespräche mit der Kommission und anderen Institutionen bestätigt. Ein Sprecher des Unternehmens erklärte gegenüber Euractiv: „Es finden tatsächlich Gespräche statt, sowohl mit der Kommission als auch mit anderen öffentlichen und privaten Institutionen und Organisationen, die Projekte zur Migration in eine souveräne Cloud evaluieren.“ Die EU-Kommission hat bereits einen ersten Vertrag mit OVHcloud abgeschlossen, aber ob es tatsächlich zu einer Abkehr von Microsoft Azure kommt, bleibt abzuwarten.
Neben OVHcloud werden auch andere europäische Anbieter wie Ionos aus Deutschland, Scaleway aus Frankreich und Aruba aus Italien als Alternativen in Betracht gezogen. Die Konsolidierung der digitalen Abteilungen der Kommission unter Henna Virkkunen, Vizepräsidentin und zuständig für technologische Souveränität, hat diesen Prozess offenbar erleichtert.
Datenschutz als treibende Kraft
Ein weiterer Grund für die Überlegungen der EU-Kommission ist der Druck des EU-Datenschutzbeauftragten Wojciech Wiewiórowski. Er stellte 2024 fest, dass die Nutzung des cloudbasierten MS 365 gegen mehrere Datenschutzvorgaben für EU-Institutionen verstößt. Der Datenschutzbeauftragte hat die Kommission aufgefordert, alle damit verbundenen Datentransfers zu stoppen. Dies hat den Druck auf die Kommission erhöht, eine europäische Lösung zu finden.
Kritischer Blick auf die Situation
Die EU-Kommission steht vor einer bedeutenden Entscheidung, die die digitale Landschaft Europas nachhaltig verändern könnte. Der Wechsel zu einem europäischen Cloud-Anbieter wie OVHcloud wäre ein starkes Signal für mehr Unabhängigkeit und Datenschutz. Doch es bleibt abzuwarten, ob die europäischen Anbieter den hohen Anforderungen der Kommission gerecht werden können und ob sie die gleiche Zuverlässigkeit und Skalierbarkeit bieten können wie Microsoft Azure.
Dieser Schritt ist zwar mutig und notwendig, wird aber auch mit Herausforderungen verbunden. Es wird spannend zu beobachten, ob die EU-Kommission diesen Weg konsequent weitergeht und wie sich die europäischen Cloud-Anbieter in diesem Wettbewerb behaupten werden. Eines ist sicher: Die digitale Souveränität Europas steht auf dem Spiel.