Mit den aktuellen Updates seiner mobilen Betriebssysteme will Apple die Daten seiner Nutzer besser schützen und ihnen einfache Kontrollmechanismen über die Weiterverarbeitung ihrer persönlichen Daten an die Hand geben. Zur Freude vieler User und zum Ärger großer Online-Konzerne.
Im Fokus steht dabei das so genannte Tracking, also das seiten- oder appübergreifende Sammeln von Nutzerdaten. Dabei kann eine Flut von Informationen gesammelt und zu Profilen zusammengeführt werden, die wiederum gezielte Werbeeinspielungen ermöglichen. Damit lässt sich viel Geld verdienen und der Handel mit Nutzerdaten ist ein äußerst profitables Geschäft.
Dem schiebt Apple zunehmend einen Riegel vor, ab einem Update auf das Betriebssystem iOS 14.5 können Nutzer selbst entscheiden, ob Apps sie zu Marketing- und Werbezwecken verfolgen dürfen. Apps müssen seitdem beim Nutzer anfragen, ob dieser dem Tracking zustimmt. In den Einstellungen können Regeln für verschiedene Apps individuell festgelegt und verwaltet, oder das Tracking generell deaktiviert werden – dann wird jede Anfrage einer App automatisch abgelehnt.
Firmen und Werbebranche in Aufruhr
Dabei ist zu erwarten, dass sich wohl nur wenige Nutzer aktiv für das Freigeben ihrer Daten entscheiden werden und sich zudem die Mühe machen, in den Datenschutz-Einstellungen ihres iPhones Einzelfallregelungen für bestimmte Applikationen zu erstellen. Viel wahrscheinlicher ist es, dass sie das Tracking einfach komplett unterbinden. Und in Anbetracht wegbrechender Einnahmen gibt es schnell Kritik an Apples Strategie. Von unfairem Wettbewerb ist dabei die Rede. Apple wolle kostenlose und durch Werbung finanzierte Apps vom Markt verdrängen, Nutzern blieben dann nur kostenpflichtigen Apps, an denen Apple durch den Verlauf im App-Store mitverdiene. Zudem kritisieren Verbände, dass Apple selbst weiterhin Nutzerdaten sammle, während Wettbewerber an der kommerziellen Verarbeitung der Nutzerdaten gehindert werden. Als Folge dieser Entwicklung haben in Deutschland acht Verbände der Medien- und Werbewirtschaft Beschwerde beim Bundeskartellamt , das Verfahren ist bereits eingeleitet.
Datenschutz als zentrales Thema
Apple widerspricht den Anschuldigungen und zeigt sich unbeeindruckt vom starken Gegenwind. „Wir von Apple glauben, dass Datenschutz ein Grundrecht ist“ verkündet Softwareentwickler Craig Federighi am 7. Juni 2021 auf der WWDC21, der World Wide Developers Conference. Ähnliche Formulierungen finden sich auf der Webseite des Konzerns, wo vom Datenschutz als „Kernwert“ die Rede ist.
Aber woher kommt nun Apples demonstrative Liebe zum Datenschutz? Kritiker sehen neben den möglichen Einnahmen über den App-Store auch weitergehende finanzielle Interessen. Denn Apples Business ist der Verkauf hochpreisiger Hardware und die Message an die Nutzer mobiler Endgeräte ist mehr als deutlich: auf unseren Geräten sind Ihre Daten vor fremdem Zugriff geschützt. In Zeiten eines zunehmenden Sicherheitsbewusstseins könnte das viele Nutzer, denen Apples Hardware bisher zu teuer war, dazu bewegen, künftig doch die Premiumpreise des Unternehmens aus Cupertino zu bezahlen. Zumal die weitaus günstigere Konkurrenz Apple hier noch hinterher hinkt und bislang wenig Interesse zeigte, das Thema Datenschutz offensiv in den Fokus zu rücken. Zwar sollen bei Android bis Ende des Jahres ebenfalls neue Datenschutz-Maßnahmen umgesetzt werden, allerdings müssen Nutzer dem Tracking hier durch einen Opt-Out aktiv widersprechen, was weitaus geringere Ablehnungsraten als bei einem Opt-In erwarten lässt.
Datenschutz als Grundrecht – aber auch für alle?
Das mehr oder weniger in sich geschlossenes System gilt in der allgemeinen Wahrnehmung seit jeher als sicher, über den App-Store können nur durch Apple geprüfte und zertifizierte Applikationen installiert werden. Viren und Angriffe durch Schadsoftware waren für Apple-Betriebssysteme lange kein Thema. Und so setzte jeder, der besonderen Wert auf Sicherheit legte, auf die Produkte aus Cupertino .
Aber der Mythos vom sicheren Apfel fängt auch an zu bröckeln und Apples Glaubwürdigkeit steht zunehmend auf dem Prüfstand. Laut Recherchen der New York Times soll Apple Schutz der Daten chinesischer Nutzer durchaus Kompromisse eingegangen sein. China ist nicht nur ein riesiger Markt für Apple, sondern auch wichtigster Fertigungspartner. Gewisse Abhängigkeiten sind nicht zu leugnen und die chinesische Führung stellt zunehmend Forderungen. So sollen Server mit Nutzerdaten unter der Kontrolle chinesischer Firmen stehen, moderne Verschlüsselungstechniken nicht zum Einsatz kommen und unliebsame Anwendungen im App-Store zensiert werden.
Apple erwidert auf entsprechende Vorwürfe, man halte sich an die in China geltenden Gesetze und unternehme alles, um die Daten der Nutzer zu schützen.
Neue Kräfteverteilung?
Den Nutzern hierzulande dürfte das die Freude an den neuen Datenschutz-Features wohl nur bedingt verderben. Und für Apple könnte sich die verstärkte Ausrichtung auf den Datenschutz durchaus lohnen. Konkurrent Android beherrscht aktuell den Markt, könnte aber Nutzer verlieren, wenn nicht bald ähnliche Lösungen folgen. Und durch die enge Verknüpfung von Android mit Google Diensten würden verschärfte Datenschutzrichtlinien wohl auch mit einer Kannibalisierung der eigenen Einnahmen durch personalisierte Werbung einhergehen. Für die Verantwortlichen nicht gerade ein großer Anreiz schnell aktiv zu werden. Und so könnte sich Apples neue Liebe zum Datenschutz durchaus auf die Kräfteverteilung auf dem Mobilfunkmarkt auswirken.