In vielen Branchen gehören Probeaufgaben mittlerweile zum Standard im Bewerbungsprozess. Sie dienen dem Unternehmen dazu, die Fähigkeiten der Bewerber zu testen, ohne gleich einen festen Vertrag zu unterschreiben. Doch was passiert, wenn der Bewerber die Aufgabe nicht nur mit Feuereifer erledigt, sondern auch noch eine Rechnung stellt? Ein besonders hitziger Fall sorgt aktuell für Aufsehen. Ein Bewerber aus der SEO-Branche hatte nach einer abgelehnten Bewerbung seine Probeaufgabe einfach mal auf eigene Faust in Rechnung gestellt – und zwar satte 184 Euro. Aber war das fair? Und wer hat nun im Recht?
Wann ist eine Probeaufgabe wirklich eine Arbeitsleistung?
Zunächst einmal ist es entscheidend zu klären, was eine „Arbeitsleistung“ überhaupt ist. Laut der Arbeitsrechtlerin Mareike Curtze ist eine Arbeitsleistung grundsätzlich zu bezahlen – auch wenn dies nicht ausdrücklich vereinbart wurde. Das bedeutet: Wird dem Bewerber eine Aufgabe gestellt, die er vollständig bearbeitet und die vom Unternehmen später genutzt wird, ist es durchaus gerechtfertigt, dass er für diese Leistung eine Bezahlung fordert. Im Falle des Bewerbers bei der SEO-Agentur war die Aufgabe, so die Einschätzung des CEOs, relativ gering: Eine Stunde Arbeit, maximal. Doch was, wenn diese eine Stunde doch eine echte Arbeitsleistung darstellt? In einem anderen Szenario könnte das Unternehmen die Leistung des Bewerbers möglicherweise auch weiterverwenden und so von der Arbeit profitieren. Dann wird die Sache rechtlich noch interessanter.
Das Risiko für Unternehmen: Kündigung und mehr
Doch die Probeaufgabe birgt auch für Unternehmen Risiken – und zwar nicht nur in Form von schlechten Leistungen. Wenn ein Bewerber während einer Probezeit Arbeitsaufgaben übernimmt, kann dies rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. So kann es durch das Erbringen von Arbeitsleistung möglicherweise zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis kommen. Arbeitgeber müssen dann nicht nur Gehalt zahlen, sondern auch die Kündigungsfristen einhalten. Um das zu vermeiden, sollten Unternehmen sicherstellen, dass Probeaufgaben nur in einem begrenzten Rahmen stattfinden – und das ohne Arbeitsanweisungen, sondern lediglich als „Schnupper-Gelegenheit“. Ein kurzer Tag, an dem der Bewerber das Unternehmen eher beobachtet als selbst aktiv zu werden, schützt vor ungewollten rechtlichen Verpflichtungen.
Probeaufgaben: Fair oder Abzocke? So schützen sich Bewerber und Unternehmen
Klar ist: Das Thema Probeaufgaben ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits können sie sowohl für den Bewerber als auch für den Arbeitgeber nützlich sein. Doch andererseits gibt es viel Raum für Missverständnisse und Missbrauch. Für den Bewerber stellt sich oft die Frage: „Ist das wirklich ein Test, oder wird hier einfach gratis Arbeit abgegriffen?“ Und für den Arbeitgeber: „Was, wenn der Bewerber nachher mit einer Rechnung vor der Tür steht?“
Tatsache ist, dass es immer wieder Unternehmen gibt, die Probeaufgaben in einem viel zu weiten Rahmen fordern – in der Hoffnung, so quasi kostenlos wertvolle Arbeitsergebnisse zu erhalten. Das geht dann über den ursprünglichen Sinn eines Bewerbungsprozesses hinaus und kann ganz klar als unfaire Praxis gewertet werden. In solchen Fällen sollte ein Bewerber unbedingt den Mut haben, seine Rechte geltend zu machen. Und Unternehmen? Sie sollten genau darauf achten, dass sie nicht ins rechtliche Fettnäpfchen treten. Wer aus einer Probeaufgabe mehr macht als nötig, könnte sich in einem komplexen rechtlichen Dschungel wiederfinden.
Die Schlussfolgerung ist einfach: Eine Probeaufgabe ist nur dann fair, wenn beide Seiten von Anfang an klar definieren, was von der Aufgabe erwartet wird und was sie wert ist. Aber wie immer gilt: Wer am Ende zu wenig für seine Arbeit bekommt, sollte den „Faulen“ ansprechen und nicht aufhören, um sein Recht zu kämpfen. Und noch wichtiger: Jeder sollte auf sein Bauchgefühl hören – vor allem, wenn der Aufwand nicht in einem fairen Verhältnis zum möglichen Nutzen steht.