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Wenn ein Geburtstagsgruß Ärger bringt

Was früher als nette Geste galt, sorgt heute für Behördenpost: Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer ist im Clinch mit dem Landesdatenschutzbeauftragten Baden-Württembergs – wegen eines harmlosen Glückwunschs im Amtsblatt. Konkret geht es um eine öffentliche Gratulation zum 75. Geburtstag eines Bürgers. Der aber fand das gar nicht feierlich und beschwerte sich – wegen Datenschutz.

Jetzt prüft die Aufsichtsbehörde, ob die Stadt Tübingen mit der Veröffentlichung gegen geltendes Datenschutzrecht verstoßen hat. Klingt nach Kleinkram? Nicht für die Datenschützer – und schon gar nicht für Palmer, der auf Facebook deutlich wurde: „Das ist Bürokratismus im Endstadium.“

 

Datenschutz oder Datenterror?

Was ist hier eigentlich passiert? Die Stadt Tübingen hat – wie es jahrzehntelange Praxis war – einem Bürger öffentlich zum runden Geburtstag gratuliert. Früher war das problemlos erlaubt, solange niemand widersprach. Doch seit der Änderung des Bundesmeldegesetzes 2015 und durch die DSGVO ist Schluss mit „Einfach mal machen“: Kommunen dürfen solche Daten nur noch mit ausdrücklicher Zustimmung veröffentlichen.

Heißt konkret: Vor jeder Gratulation muss vorher eine schriftliche Einwilligung eingeholt werden – selbst wenn es nur um drei harmlose Zeilen im Amtsblatt geht.

Palmer hält das für „lebensfremd“. Er sieht seine Verwaltung durch ein überzogenes Verfahren blockiert, während gleichzeitig echte Herausforderungen – wie marode Schulen und bröckelnde Infrastruktur – auf der Strecke bleiben.

 

Der Gratulant als Datenschutz-Risiko?

Die Gegenseite sieht das anders: Die Datenschutzbehörde verweist auf mehrere Beschwerden und warnt davor, persönliche Daten ohne Zustimmung zu veröffentlichen – vor allem im Internet. In Amtsblättern stünden oft Alter, Name und Wohnort, was sensible Informationen seien – und potenziell Kriminellen wie Enkeltrickbetrügern nützlich sein könnte.

Datenschützer Karakurt stellt klar: „Ein Verweis auf eine jahrzehntelang geübte Praxis allein rechtfertigt noch keinen Eingriff in die Grundrechte der Menschen.“ Für ihn ist klar: Wer öffentlich genannt wird, muss vorher zustimmen – Punkt.

Für Palmer wiederum ist diese Entwicklung ein Angriff auf die Gemeinschaft selbst. Öffentliche Gratulationen seien Ausdruck von Nähe und Anerkennung – etwas, das den sozialen Zusammenhalt fördere. „So zerstört man Gemeinschaft – und nennt es dann Rechtskonformität“, klagt er.

 

Und jetzt?

Ganz nüchtern betrachtet ist die Lage juristisch eindeutig: Ohne Einwilligung keine Veröffentlichung. Das sagt das Gesetz – und daran führt kein Weg vorbei. Aber genau das macht Palmer wütend: dass Recht und Realität so weit auseinanderliegen. Denn jede einzelne Zustimmung einholen, speichern und dokumentieren – das frisst Ressourcen, ohne dass jemand konkret davon profitiert. Im Gegenteil: Es entsteht der Eindruck, Datenschutz schützt nicht mehr die Menschen, sondern bekämpft den gesunden Menschenverstand.

 

Kommentar: Wenn Datenschutz Gemeinschaft zerlegt

Es wirkt, als würde sich hier ein Rechtsprinzip selbst ad absurdum führen. Der Schutz persönlicher Daten ist wichtig – keine Frage. Aber wenn eine Geburtstagsglückwunsch-Meldung zur bürokratischen Hürde mit Strafandrohung wird, dann ist irgendetwas aus dem Ruder gelaufen.

Statt Bürgernähe gibt’s Checklisten, statt Freude am Gemeindeleben rechtliche Grauzonen. Das Prinzip „Einwilligung“ wird hier wie ein Akt der Staatskunst behandelt – dabei geht’s doch nur um eine nette Geste.

Es ist nicht zu viel verlangt, von Datenschutzbehörden zu erwarten, zwischen echter Gefahr und überzogener Regelungswut zu unterscheiden. Denn ja, man kann Grundrechte achten – und trotzdem nicht den Menschenverstand aus dem Fenster werfen.

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