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Wenn Richter Daten über Grenzen hinweg fordern
Was wie ein Streit unter Konzernen klingt, ist in Wahrheit ein internationaler Polit-Thriller. Wie das Tech-Portal Heise berichtet, will ein kanadisches Gericht vom französischen Cloud-Anbieter OVHcloud Nutzerdaten – gespeichert in Frankreich, Großbritannien und Australien. Der Haken: Die französischen Gesetze verbieten genau das. Nun steckt der Cloud-Riese in einer echten Zwickmühle.
Denn OVHcloud muss sich entscheiden: bricht das Unternehmen französisches Strafrecht – oder missachtet es die kanadische Justiz? Egal wie es sich entscheidet: Es drohen Geldstrafen, Gefängnis oder Reputationsverlust.
Kanada will Daten, Frankreich sagt „Non“
Die Royal Canadian Mounted Police (RCMP) ermittelt in einem Fall schwerer Kriminalität. Dafür braucht sie IP-bezogene Nutzerdaten, die bei OVHcloud gespeichert sind. Die kanadische Richterin argumentiert: Weil OVHcloud in Kanada aktiv ist, gilt dort auch kanadisches Recht – selbst für Server, die in Europa stehen.
Frankreich sieht das ganz anders. Das sogenannte Blockadegesetz verbietet es französischen Unternehmen, Daten ohne rechtliches Verfahren an ausländische Behörden weiterzugeben. Selbst dann nicht, wenn es um Verbrechensbekämpfung geht. Nur ein offizielles Rechtshilfeersuchen über diplomatische Kanäle ist erlaubt.
Die französische Regierung wurde prompt aktiv: Das Wirtschafts- und Justizministerium warnten OVH ausdrücklich vor einer direkten Datenweitergabe. Verstöße gegen das Blockadegesetz können mit bis zu sechs Monaten Haft und saftigen Geldstrafen enden.
Ein Unternehmen, zwei Gesetze, null Optionen?
OVHcloud ist kein kleiner Fisch: Es ist einer der größten europäischen Cloud-Anbieter – und steht jetzt sinnbildlich für einen Zielkonflikt, der in der Cloud-Branche brodelt: Was passiert, wenn Gesetze verschiedener Länder sich widersprechen, aber dieselben Daten betreffen?
Dass sich ausgerechnet zwei demokratische Partnerstaaten wie Kanada und Frankreich in dieser Frage verhaken, zeigt, wie sensibel das Thema Datensouveränität geworden ist. Der französische Cloud-Anbieter hat bereits Berufung eingelegt – und hofft auf einen gerichtlichen Stopp der Entscheidung. Doch die Zeit drängt: Ein kanadisches Urteil verpflichtet OVH zur Datenherausgabe, und zwar sofort. Entweder Kanada oder Frankreich – aber keinem Rechtssystem kann OVH vollständig gehorchen.
Die globale Cloud steht unter Druck
Dieser Fall könnte ein Präzedenzfall für die gesamte Cloud-Industrie werden. Denn wenn Gerichte auf „virtuelle Präsenz“ pochen und damit Zugriff auf weltweit gespeicherte Daten fordern können, hat das Folgen. Cloud-Anbieter könnten gezwungen sein, ihre Versprechen über Datenschutz und Standortbindung über Bord zu werfen.
Besonders europäische Anbieter wie OVHcloud werben seit Jahren damit, sich vom Einfluss ausländischer Behörden – vor allem aus den USA – abzugrenzen. Doch jetzt zeigt sich: Die Gefahr kommt nicht nur aus Übersee. Auch befreundete Staaten können zum Problem werden.
Einordnung: Kein Freibrief für Datenzugriffe
Wenn Gerichte anfangen, digitale Präsenz wie eine physische zu behandeln, dann droht der Datenschutz zum Papiertiger zu verkommen. Wer Cloud-Dienste weltweit anbietet, kann doch nicht in jedem Land gleichzeitig alle Gesetze befolgen – vor allem, wenn sie sich widersprechen. Kanada will schnell ermitteln, Frankreich will Rechtssicherheit – beide Seiten haben nachvollziehbare Ziele. Aber: Ein kurzer Dienstweg darf kein Freibrief für staatliche Datenzugriffe werden. Sonst ist die schöne Idee von europäischer Datensouveränität bald nicht mehr wert als ein abgelaufenes SSL-Zertifikat.
Quelle: heise.de




