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Sensible Daten? Plattform = mitverantwortlich!

Wer eine Anzeige auf einem Online-Marktplatz aufgibt, muss damit rechnen, dass die Plattform genauer hinschaut – und das nicht freiwillig, sondern auf gerichtliche Anordnung. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem neuen Urteil klargestellt: Online-Marktplätze wie eBay, Kleinanzeigen oder regionale Portale dürfen Anzeigen mit sensiblen Daten nicht einfach durchwinken.

Das Urteil vom Dezember 2025 bringt eine deutliche Wende: Plattformbetreiber müssen Inhalte prüfen – aktiv und präventiv. Es reicht nicht mehr, nur zu reagieren, wenn etwas gemeldet wird. Stattdessen müssen sie bereits vor Veröffentlichung prüfen, ob etwa Informationen zur sexuellen Orientierung, politischen Einstellung oder Gesundheit in einer Anzeige enthalten sind – und wenn ja, ob diese überhaupt veröffentlicht werden dürfen.

Der Fall: Sex-Anzeige mit echten Daten – ohne Zustimmung

Auslöser für das Urteil war ein Fall aus Rumänien. Auf der Plattform publi24.ro wurde eine Anzeige geschaltet, in der eine Frau mit echten Fotos und Telefonnummer für angebliche sexuelle Dienstleistungen angeboten wurde – ohne ihr Wissen, ohne ihre Zustimmung. Der Betreiber Russmedia Digital entfernte die Anzeige zwar schnell, doch der Schaden war längst passiert: Die Anzeige wurde auf anderen Seiten kopiert und war weiter auffindbar.

Die betroffene Frau klagte – und der Fall landete schließlich beim EuGH. Die zentrale Frage: Trägt die Plattform Mitverantwortung, obwohl sie die Anzeige gar nicht selbst erstellt hat? Antwort: Ja.

DSGVO schlägt E-Commerce-Richtlinie

Der Gerichtshof stellte klar: Der Plattformbetreiber ist „Verantwortlicher“ im Sinne der DSGVO – auch wenn er „nur“ die technische Infrastruktur bereitstellt. Die Betreiber müssen sicherstellen, dass keine rechtswidrige Verarbeitung sensibler Daten erfolgt. Und das bedeutet: Die Anzeigen sind vor der Veröffentlichung zu prüfen.

Spannend: Bisher konnten sich Plattformen oft auf die sogenannte E-Commerce-Richtlinie berufen, die unter bestimmten Bedingungen eine Haftungsfreistellung vorsieht – etwa, wenn Inhalte von Nutzern kommen und sofort gelöscht werden, sobald sie gemeldet werden. Doch der EuGH stellt nun klar: Im Bereich Datenschutz zieht diese Ausrede nicht mehr. Die DSGVO hat Vorrang.

Plattformbetreiber müssen außerdem technische Schutzmaßnahmen ergreifen, damit solche Anzeigen nicht einfach kopiert und weiterverbreitet werden können. Damit wird deutlich: Verantwortung endet nicht mit dem Lösch-Button.

Was das für Plattformen bedeutet

Das Urteil dürfte bei vielen Online-Marktplätzen für Nervosität sorgen. Denn es verlangt nicht weniger als einen Paradigmenwechsel: Wer sensible Nutzerdaten auf seiner Plattform zulässt, muss sich um deren Schutz proaktiv kümmern – auch wenn die Inhalte von Dritten stammen.

Besonders relevant: Betreiber müssen prüfen, ob die abgebildete oder genannte Person überhaupt der Inserent ist – oder ob eine Einwilligung zur Veröffentlichung vorliegt. Fehlt sie, muss die Anzeige abgelehnt werden.

Das wird die Abläufe vieler Plattformen grundlegend verändern – und möglicherweise auch die Zahl der Anzeigen deutlich verringern.

Einordnung: Plattformen haben Verantwortung

Das Urteil trifft ins Schwarze: Wer den Rahmen für Veröffentlichungen stellt, muss auch Verantwortung für deren Inhalt übernehmen. Dass Plattformen sich hinter technischen Ausreden verstecken, während echte Menschen durch Falsch-Anzeigen öffentlich bloßgestellt werden, ist längst nicht mehr zeitgemäß. Aber klar ist auch: Wenn jede Anzeige auf heikle Inhalte geprüft werden muss, wird’s teuer, langsam – und nervig. Für die Anbieter. Für Nutzer. Für alle. Doch Datenschutz ist kein Wunschkonzert. Und manchmal braucht es klare Urteile, damit das Internet endlich aufhört, als rechtsfreier Raum durchzugehen.

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