Betreiber von Webseiten mit Google Fonts wurden in der Vergangenheit überdurchschnittlich häufig abgemahnt. Dahinter steckt scheinbar ein Geschäftsmodell. Jetzt ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft.

Abmahnbetrug und Erpressung in mehr als 2.400 Fällen: So lautet der Vorwurf, den die Generalstaatsanwaltschaft Berlin einem Rechtsanwalt und dessen Mandanten macht. Die Beschuldigten sollen Betreiber von Webseiten, die Google Fonts benutzten, abgemahnt und gegen Zahlung einer Vergleichssumme den Verzicht auf ein Zivilverfahren in Aussicht gestellt haben. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft zum Zwecke der Beweissicherung Geschäftsräume in verschiedenen Bundesländern durchsucht.

Was sind Google Fonts?

Bei Google Fonts handelt es sich um ein interaktives Verzeichnis mit über 1.400 Schriftarten. Diese werden vor allem von Privatpersonen und Kleingewerbetreibenden zur Erstellung von Webseiten genutzt. Das Problem: Die Fonts werden bei einem Webseiten-Besuch direkt von den Google-Servern geladen. Im Zuge dessen übermittelt der Webseiten-Betreiber IP-Adresse des Besuchers an Google – ohne dessen Wissen. Ein Umstand, den sich die beiden Beschuldigten zunutze machten. Sie sollen mit Hilfe einer selbst programmierten Software Internetseiten mit Google Fonts besucht und die Besuche protokolliert haben. Diese getrackten Zugriffe dienten anschließend als Basis für die Behauptung der datenschutzrechtlichen Verstöße sowie die Geltendmachung von Schmerzensgeldansprüchen.

Mehr als 2.000 betroffene Personen

Die Betreiber der Webseiten erhielten umgehend Post. In dem Abmahnschreiben wurde ihnen ein Verstoß gegen die Datenschutz-Grundverordnung sowie eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung vorgeworfen. Zugleich wurde den betroffenen Webseiten-Betreibern angeboten, ein Zivilverfahren gegen Zahlung einer Vergleichssumme i.H.v. 170 Euro vermeiden zu können. Rund 2.000 von ihnen sollen das Vergleichsangebot aus Sorge vor einem gerichtlichen Verfahren angenommen und gezahlt haben, teilte die Staatsanwaltschaft Berlin mit.

Eine Software hat keine Persönlichkeitsrechte

Ein tatsächlicher Verstoß gegen die informationelle Selbstbestimmung der Beschuldigten liege jedoch nicht vor, so die Staatsanwaltschaft. Dadurch, dass die Webseiten durch eine Software besucht wurden, mangele es an einer Person, dessen Persönlichkeitsrechte hätten verletzt werden können. Darüber hinaus seien die Webseiten-Besuche ganz bewusst mit dem Ziel der IP-Übermittlung vorgenommen worden, was einer Einwilligung in die Datenübertragung gleichkäme.

Hohe Schadenssumme

Im Rahmen der Ermittlungen vollstreckte die Staatsanwaltschaft Berlin jetzt zahlreiche Durchsuchungsbeschlüsse, unter anderem in Berlin, Hannover, Ratzeburg und Baden-Baden. Ebenfalls vollstreckt wurden zwei Arrestbeschlüsse mit einer Gesamtsumme von rund 350.000 Euro. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurden entsprechende Beweismittel sichergestellt, die im Laufe der nächsten Wochen ausgewertet werden. Sie sollen genaue Auskunft über die Anzahl und Identität weiterer Geschädigter sowie die tatsächlichen Umsätze des Betrugs geben.

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